Wir sammeln und bewahren Wissen und Kultur unseres Heimatortes |
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Die ehemalige jüdische Gemeinde von Barchfeld Seit mindestens 1566 lebten nachweislich
viele Generationen jüdischer Familien in unserem Ort. Sie waren als
Viehhändler, Metzger, Makler und Kleinhändler tätig. Ihr Wohnrecht war
von den jeweils herrschenden Landesfürsten abhängig. Anfang des 19. Jh. nahm die jüdische Einwohnerzahl zu und erreichte 1887 mit insgesamt 240 jüdischen Bürgern ihren höchsten Stand. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug damals 12 %. Christen und Juden lebten miteinander in guter Nachbarschaft. Die jüdische Gemeinde von Barchfeld war eine der bedeutendsten Landgemeinden in Thüringen.
Der Ort gehörte jedoch politisch als Exklave zur Herrschaft Schmalkalden und Hessen, später zu Preußen. Nach der Aufhebung der Berufsbeschränkung erlernten die Heranwachsenden nun auch Handwerksberufe oder studierten.
Die jüdische Textilhändlerin LINNA WOLF mit ihren Enkelkindern ALFRED und THEA KUHN
Zunehmend erhielten die hier geborenen jüdischen Kinder deutsche, ortsübliche Vornamen. Das gleichberechtigte Leben führte berufsbedingt ab 1890 zu einer allmählichen Abwanderung vom Dorf in größere Städte.
1932
lebten noch 63 Juden in Barchfeld.
1933 hat Justin Herrmann als Vorsteher der jüdischen Gemeinde anlässlich der Tausendjahrfeier des Ortes eine kleine Broschüre mit dem vollständigen Überblick der Geschichte der israelitischen Gemeinde Barchfeld erarbeitet und selbst publiziert. Die Jubiläumsschrift durfte aber nicht verbreitet werden. Wenige Exemplare wurden versteckt und so über die Zeit des Nationalsozialismus gerettet. Die Broschüre wurde in den 1990er Jahren vervielfältigt und dadurch Interessierten heute zugänglich.
Herzstück des jüdischen Lebens war die Synagoge, die in der Nürnberger
Straße Nr. 40 stand. Dort trafen sich die jüdischen Bürger von
Barchfeld, Bad Salzungen, Bad Liebenstein und
Tiefenort zum Gottesdienst und zu kulturellen
Veranstaltungen. Nach 1940 lebte kein Jude mehr in Barchfeld. Die Flucht vom Dorf in die Anonymität der Großstädte konnte sie jedoch nicht retten. Auch dort wurden alle jüdischen Bürger erfasst, gedemütigt und in Konzentrationslager deportiert.
49 in Barchfeld geborene Juden überlebten die Herrschaft des
Nationalsozialisten nicht. Ein schlimmes Schicksal, das betrauert
wird. Die grausame Zeit des Holocaust darf nicht vergessen werden.
Letztes Zeugnis des früheren jüdischen Lebens
in Barchfeld ist der hiesige Friedhof.
Es verblieben 90 Grabmale aus dem 19. Jahrhundert. Die Inschriften auf den alten Sandsteinen sind nur noch teilweise zu lesen.
35 Namen konnten den deutschen Aufschriften entnommen werden, für die Übersetzung der hebräischen Texte wurde jedoch noch kein Schriftkundiger gefunden. Eine baldige Übersetzung und Dokumentation der hebräischen Grabsteintexte ist wünschenswert, denn die alten Steine verwittern immer mehr und werden so für immer unleserlich.
Der Friedhof wird von der Gemeinde Barchfeld
gepflegt. Der Heimatgeschichtsverein dokumentiert die jüdische
Geschichte und versucht, sie so lebendig zu halten.
2013 wurden die ersten vier Stolpersteine zur Erinnerung an jüdische Opfer in Barchfeld verlegt. Sie gelten Mitgliedern der großen jüdischen Familie Wolf aus der Nürnberger Straße.
Für vier Angehörige der jüdischen
Familie Wolf wurden am 27. September 2013 Stolpersteine zum Gedenken
verlegt.
Zu mehreren Nachkommen Barchfelder Juden, die heute in Israel, Großbritannien, in den USA und in Chile leben, besteht brieflicher Kontakt. Gelegentlich kommen auch Nachfahren ehemaliger jüdischer Dorfbewohner in unseren Ort, um die Heimat ihrer Vorfahren kennenzulernen.
Ursula Wolf-Davidson und ihre Familie aus
Kalifornien/USA am 9. Juni 2014 vor dem Elternhaus ihres Vaters Ludwig
Wolf im Schlossweg. Sie haben sich auf den weiten Weg nach Barchfeld
gemacht, um den Heimatort ihrer Vorfahren kennenzulernen. Am 2. September 2017 wurden 7
weitere Stolpersteine vom Künstler G. Demnig in Barchfeld verlegt. Familie Emil Herrmann in der LIebensteiner Str. 11 /Unterer Graben (Vater Emil Herrmann, Kinder Justin, Ludwig, Martha und Max sowie Enkelkind Ruth Kahn) sowie Therese Wolf, geb. Levor, in der Hotzelgasse 1.
In der Hotzelgasse wurde für Therese Levor vor ihrer letzten Wohnung ein Gedenkstein verlegt.
Stolpersteine für den Händler Emil Herrmann, seine vier Kinder und seine Enkeltochter
Herr Deming verlegt unter Beteiligung interessierter Bürger die Gedenksteine am Unteren Graben.
Alan Lefor und Pfarrer Dr. Michael Stahl im freundschaftlichen Gespräch.
Hobbyforscher Klaus Schmidt und Pfarrer Dr. Michael Stahl gestalteten die feierliche Gedenkstunde
Als Gast war Dozent Alan Lefor aus Japan angereist, um bei der letzten Ehre seiner Urgroßmutter Therese Wolf dabei zu sein. Er hat zur Unterstützung der Stolpersteinverlegung die Hälfte aller anfallenden Kosten gespendet. Die Steinaufschriften werden in Kurzform einheitlich gestaltet. Weitergehende Einzelheiten zu den Biografien der 7 Barchfelder Juden liegen vor.
Klaus Schmidt beschäftigt sich intensiv mit der Erforschung der israelitischen Gemeinde von Barchfeld. An der Gesamtübersicht aller jüdischen
Schicksale unseres Ortes wird gearbeitet. Unterlagen und Dokumente
dazu sind lückenhaft, teilweise widersprüchlich und müssen sorgfältig
geprüft werden.
Zum Gedenken und
Wachhalten der früheren jüdischen Gemeinde in Barchfeld fanden 2018
folgende Veranstaltungen statt: In Absprache von Heimatgeschichtsverein, Gemeinde
Barchfeld und ev. Pfarramt
wurden am Pfarrplatz 4: Siegfried Leopold und Ehefrau
Ida Leopold sowie Tochter Gertrud Leopold Nürnberger Straße 29:
Hedwig Strauß, geb. Finke, und Tochter Toni Katzenstein,
geb.
Strauß, und Ehemann Meier Katzenstein
Nürnberger Straße 36:
Ehepaar Kerry Kuhn, geb. Wolf, und Philipp Kuhn
sowie ihre Kinder Thea Lena Kuhn und Alfred Kuhn Nürnberger Straße 43:
Adolf Oppenheim und Leopold Weinberg Nürnberger Straße 54:
Julie Strauß, geb. Katzenstein, und Tochter Margarete Strauß An der Kirche 1:
Sophie Wolfermann, geb. Ganzmann Hotzelgasse 1:
Hildegard Kohlmann, geb. Wolf, und Ehemann Friedrich Kohlmann
sowie Tochter Irmgard Kohlmann
Jettchen Wolf, geb. Rosenbaum Liebensteiner Straße 22:
Isidor Levor und seine Kinder Hans Heinz Levor und Gerhard
Levor
Minna Lion, geb. Levor (Schwester von Isidor Levor) Am Abend fand eine
Gedenkveranstaltung unter
Moderation von Pfarrer Dr. Michael Stahl in der ev. Kirche Barchfeld
statt. Klaus Schmidt sprach in einem Vortrag über das Leben und die
Schicksale der jüdischen Bürger, für die an diesem Tag Stolpersteine
zur Erinnerung verlegt wurden. Anteilnahme
der Bevölkerung am Verlegen der Stolpersteine und dem Niederlegen von
Rosen auf dem Pfarrplatz vor dem früheren Wohnhaus der Familie Leopold.
Foto: K. Schmidt
Gedenksteine für die Familie Siegfried Leopold Klaus
Schmidt und Gunter Demnig präsentieren die Stolpersteine vor dem
öffentlichen Verlegen auf dem Pfarrplatz.
Foto: Susann Eberlein Vortrag von
Klaus Schmidt zu den verlegten
34 Stolpersteinen und dem jüdischen Gedenken in Barchfeld.
Foto: S. Eberlein Am 9. November 2018 fand auf dem jüdischen Friedhof von Barchfeld eine Gedenkstunde anlässlich des 80. Jahrestages der Reichspogromnacht statt.
Zahlreiche Bürger von Barchfeld und aus
Nachbarorten nahmen daran teil. Es sprachen Pfarrer Dr. Michael Stahl,
Superintendent Ulrich Lieberknecht,
1. Beigeordneter Frank Rothamel und Klaus Schmidt. Eigens
angereist war auch Alan Lefor, dessen Wurzel in der jüdischen Gemeinde
von Barchfeld liegen. Er lebt heute in Japan und ist dort als
Professor der Medizin tätig. Alle Redner sprachen sich dafür aus, dass
eine solch schlimme Zeit der Menschenverfolgung und des Fremdenhasses
nicht wiederkehren darf.
A. Lefor sprach davon, dass die Fehler der Vergangenheit doch eine
Mahnung für immer sein sollten. Alan Lefor
war die Anreise aus Japan nicht zu weit, um mitzuhelfen, die
Reichspogromnacht als Mahnung wachzuhalten. Für ihn ist und bleibt
Barchfeld die Heimat seiner Ahnen.
Alle, die ernsthaft an Barchfeld und an der ehemaligen jüdischen Geschichte von Barchfeld interessiert sind, können sich gern mit dem Heimatgeschichtsverein in Verbindung setzen oder bei Besuchen persönlichen Kontakt aufnehmen.
Wir sind für alle Begegnungen sowie für ergänzende Hinweise und historische Fotos dankbar. Generell sind Nachkommen der jüdischen Gemeindemitglieder von Barchfeld herzlich in der Heimat ihrer Ahnen willkommen.
Fotos von der Buchpräsentation am 27. September 2021 in der evangelischen Kirche in Barchfeld
Martin Kranz von den ACHAVA-Festspielen
moderierte die Buchvorstellung gemeinsam mit dem Autor in der
Barchfelder Kirche.
Regen Anteil an der Veranstaltung zum Leben
und Schicksal der jüdischen Landgemeinde Barchfeld nahmen die
Einwohner des Ortes sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
Für die jüdischen Opfer von Barchfeld während der Zeit des Nationalsozialismus wurden Lichter zum persönlichen Gedenken der Holocaust-Opfer entzündet. Kontaktadressen: Hans Schmidt (Vereinsvorsitzender)
Tel. 036961/70918
98597 Breitungen/Werra Tel. 036848/407870
alle Fotos (außer Linna Wolf): Klaus Schmidt
Weiterführende Infos auch HIER |
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